Das Leben lässt sich nicht immer planen. Manche Wünsche erfüllen sich nie und andere werden wahr, ohne dass man je damit gerechnet hätte. Der in Alaska und Texas aufgewachsene Autor Jason Gurley inszeniert in seinen spannenden Mystery-Roman „Eleanor“ (Heyne) eine generationsübergreifende Geschichte über Wünsche, Träume, Ängste und Verluste mit einem magischen Plot um entzweite Zwillingsschwestern:
Im Jahr 1962 versucht Eleanor mit Mitte Zwanzig ihren Pflichten und Aufgaben als Ehefrau des zwanzig Jahre älteren Hob sowie als Mutter der gemeinsamen Tochter Agnes gerecht zu werden. Die einst ambitionierte Schwimmerin hat ihre erfolgversprechende Karriere an den Nagel gehängt, um sich dem Familienalltag zu widmen. Doch noch immer wird sie vom Wasser magisch angezogen. Zu ihrer Freude fährt ihr Mann jeden Tag mit ihr ans Meer. Doch ein Jahr später ist Eleanor wieder schwanger und hält sich auf Rat ihres Arztes von dem Meer fern. Bis zu eben jenem Moment, als der Ruf des Wassers zu groß ist und sie einfach mitten in der Nacht ans Meer fährt und in die Wellen springt. Die Jahre vergehen und ihre Tochter Agnes wird erwachsen, heiratet und bringt zwei Mädchen zur Welt. Im Jahr 1985 ist Agnes mit sich und ihrem Leben unzufrieden. Als Mutter der sechsjährigen Zwillinge Eleanor und Esmerelda ist sie stets auf sich allein gestellt. Ihr Mann Paul, ein vielbeschäftigter Immobilienmakler, glänzt meist durch Abwesenheit. Eines Tages kommt es während eines Unwetters zu einem schrecklichen Autounfall. Acht Jahre vergehen, in der die Familie nach dem Tod von Esmerelda auseinander bricht. Paul zieht von zu Hause aus, weil er nicht mehr ertragen kann, wie Agnes ihren Kummer im Alkohol ertränkt. Eleanor hat stets ein schlechtes Gewissen, weil sie den Unfall überlebte und fühlt sich für ihre kranke Mutter verantwortlich, die sie mit Nichtachtung straft. Im Alter von 15 Jahren kann sich das Mädchen nicht an den Dingen erfreuen, die ihre Altersgenossen lieben. Nur ihr Freund Jack unterstützt sie und hindert sie daran, an der Last des Lebens zu zerbrechen. Eleanors Leben wird auf den Kopf gestellt, als sie eines Tages durch eine Tür tritt und plötzlich in einer anderen Dimension erwacht. Verängstigt versucht sie, dem Geschehen auf den Grund zu gehen. Als sie urplötzlich wieder in ihrer eigenen Welt zurückkehrt, ist etwas Zeit vergangen. Die Sprünge mehren sich und Eleanor glaubt, verrückt zu werden. Als sie zudem schwer verletzt in einem Krankenhaus erwacht und sich an nichts erinnern kann, zweifelt auch ihr Vater an ihrem geistigen Zustand. Beide ahnen nicht, dass Mea – eine körperliche Seele, die in einer düsteren Zwischenwelt lebt – für Eleanors Zustand verantwortlich ist. Solange sie denken kann, wacht Mea über Eleanor, die ihr auf mysteriöse Weise sehr bekannt vorkommt. Erst als es ihr gelingt, Eleanor in ihre Welt zu ziehen, können die beiden das Geheimnis lüften. Denn Mea ist die Seele, der verstorbenen Esmerelda, die nun wieder mit ihrer Zwillingsschwester vereint ist. Um nie wieder voneinander getrennt zu sein, schmieden die beiden Schwestern einen gefährlichen Plan, um ihre Familie zu retten und die alten Wunden zu schließen.
Jason Gurley vereint in seinem Roman die Geschichte dreier Generationen. Eleanor, ihre Tochter Agnes und deren Tochter Eleanor teilen ein dunkles Schicksal, ohne es zu wissen. Sie alle werden von ihrem Umfeld in ein Leben gezwungen, das sie sich selbst nicht ausgesucht haben. Keine der drei Frauen besitzt die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen und ist somit gefangen, in einem vorherbestimmten Leben. Die Geschichte wird hauptsächlich aus der Sicht der Teenagerin Eleanor geschildert, die als einzige in der Lange ist, die Familiengeschichte zu verändern. Zwischendurch wechselt der Fokus immer wieder zu Mea, deren Existenz sich erst im Laufe der Geschichte offenbart. Zudem wird der Leser in die Welt der Hüterin geschickt, deren Sphäre zunächst nichts mit der Geschichte zu tun zu haben scheint. Doch nach und nach verbinden sich die Erzählstränge zu einem Gesamtwerk, das neben vielen spannenden Momenten auch Längen erkennen lässt. Das Buch hat seine Stärken, wenn es der Geschichte der drei Frauen folgt. Sobald der Fokus auf Mea oder die Hüterin gerichtet ist, wird man aus der Spannung gerissen. Nicht immer sind die Verflechtungen der Figuren logisch. Gelegentliche Verwirrungen entstehen und schmälern den Lesegenuss dadurch. Die Sympathie des Lesers gewinnen die drei Frauen der Familie, während Mea und die Hüterin als Störfaktor wahrgenommen werden. Die Kombination der Figuren ist nicht immer glücklich gewählt, wodurch der Roman für mich etwas an Faszination einbüßt. Dennoch gelingt es dem Autor eine Geschichte über Generationen hinweg zu schaffen, die geheimnisvoll, tragisch und zutiefst menschlich ist. Meines Erachtens hätte man gut auf die phantastische Ebene verzichten können, da diese zu sehr von der Realität losgelöst ist. Die Veränderungen der Figuren durch die äußeren Umstände spitzt sich von Kapitel zu Kapitel zu und lässt schon früh das Schlimmstmögliche erahnen. „Eleanor“ ist zweifelsfrei ein Roman, der eine breite Lesegemeinschaft in seinen Bann ziehen wird, auch wenn er es bei mir nicht geschafft hat.
Autor: Jason Gurley
Titel: Eleanor
Verlag: Heyne
Erschienen: 9. Januar 2017
ISBN: 978-3-453-31737-6
Paperback
Alter: Ab 14
Preis: 14,99€
© Sandy Kolbuch, Bild: Heyne