Debbie Macomber: Das kleine Cottage am Meer

Familie ist für einige das Wichtigste im Leben. Anderen wird dies erst bewusst, wenn sie ihre Familie durch tragische Umstände verloren haben. So ergeht es der Hauptprotagonistin in Debbie Macombers neuem Roman “Das kleine Cottage am Meer“ (blanvalet). Nachdem am 22. März 2014 eine Schlammlawine in der Nähe von Oso, Washington 43 Menschen in den Tod gerissen hat, ließ die Tragödie die Autorin nicht mehr los. Um ihre Gedanken zu ordnen, schrieb sie die Geschichte von Annie Marlow, einer Arztassistentin aus Seattle, die genau durch jene Tragödie ihre Familie verlor. Eigentlich sollte Annie Thanksgiving mit ihren Eltern, ihrem Bruder sowie dessen Frau und der gemeinsamen Tochter verbringen. Doch Annie lehnte das Angebot ab, um den Tag mit ihrer Cousine zu genießen. Als sie früh am Morgen durch einen Telefonanruf ihrer Tante geweckt wird, ändert sich ihr gesamtes Leben innerhalb eines kurzen Moments. Denn durch eine Lawine ist das Haus von Annies Eltern in den frühen Morgenstunden verschüttet worden und hat ihre gesamte Familie unter sich begraben. Plötzlich steht Annie ganz alleine da. Sie hat nur noch ihre Tante und ihre Cousine, die ebenfalls geschockt sind. Ein Jahr lang kämpft Annie mit ihrer Trauer und scheint immer tiefer in einem dunklen Loch zu versinken. Selbst ihrer Arbeit kann sie nicht im gewohnten Maße nachgehen, weil sie täglich zu zerbrechen droht. Als ihre Cousine ihr den Rat gibt, sich einen Glücksort zu suchen, an dem sie sich geborgen fühlt und mit dem sie glückliche Erinnerungen verbindet, fällt ihr sofort der Küstenort Oceanside ein. Dort hat sie mit ihrem Bruder und ihren Eltern viele Jahre lang den Sommer in einem kleinen Cottage am Meer verbracht. Kurzentschlossen fährt Annie zu dem Ort ihrer glücklichen Kindheitserinnerungen. Angekommen fühlt sie sich umgehend frei und sorgenfrei, sodass ihre Trauer zu schwinden scheint. Erholt kehrt sie heim und spürt sofort wieder diese unangenehme Enge in der Brust. Da ist sich Annie sicher, sie muss ihr Leben ändern und Oceanside scheint genau der Ort zu sein, wo ein Neuanfang möglich ist. Und so macht sie Nägel mit Köpfen und bewirbt sich auf eine freie Stelle als Arztassistentin im ansässigen Krankenhaus. Wie durch ein Wunder bekommt sie den Job und auch das alte Cottage kann sie mieten. Zwar ist das Haus mittlerweile heruntergekommen und die Vermieterin Mellie mehr als merkwürdig, aber Annie schert es nicht. Zudem bekommt sie Hilfe von Keaton, einem schweigsamen, großen Mann. Annie ahnt nicht, dass sie Keaton noch aus Kindheitstagen kennt und dass er seither in sie verliebt ist. Für Keaton erfüllt sich ein Traum, als Annie nach all den Jahren wieder in sein Leben tritt. Die beiden freunden sich an und kommen sich näher. In seiner Nähe kann Annie wieder Glück empfinden und Keaton, der nach dem Tode seiner Mutter alleine von seinem gefühlskalten Vater aufgezogen wurde, wird das erste Mal in seinem Leben wirklich geliebt. Allmählich kann sich Annie auch mit Mellie anfreunden, die ebenfalls ein Trauma erlitten hat und seither an einer Phobie leidet, die es ihr nicht erlaubt, das Haus zu verlassen. Gemeinsam mit Keaton und dessen besten Freund Preston heitert Annie Mellie auf, die nach und nach wieder die Gesellschaft ihrer Mitmenschen zu schätzen lernt. Auch im Beruf kann Annie wieder aufatmen und ihre Arbeit mit vollen Zügen genießen. Schnell spricht sich herum, dass sie immer ein offenes Ohr für ihre Patienten hat und ihnen auch außerhalb der Behandlungsräume hilfreich zur Seite steht. Besonders eine Familie wächst ihr ganz besonders ans Herz. Für sie wagt Annie einen großen Schritt und wendet sich sogar ans Jugendamt, um die Familie aus den schrecklichen Lebensumständen zu befreien. Das neue Leben könnte so wunderbar sein. Als Annie zudem auch noch die Möglichkeit erhält, in Chicago ein verkürztes Studium zu absolvieren, um Ärztin zu werden, ist sie am Ziel ihrer Träume. Doch das würde bedeuten, Oceanside zu verlassen. Eine Entscheidung, die Annie schwerer fällt, als sie jemals gedacht hätte.
Debbie Macomber ist es nach “Leise rieselt das Glück“ erneut gelungen, mich mit diesem Roman in den Bann zu ziehen. Bereits nach den ersten Seiten ist man verliebt in den Ort, der für Annie zum Glücksort wird. Gemeinsam mit ihr erträgt man Kummer und Leid, beginnt aber am Strand direkt am Cottage neuen Lebensmut zu schöpfen und Kraft zu tanken. Die Figuren sind sympathisch und mit jedem Kapitel lernt man sie besser und näher kennen. Die Tragik der Geschichte ist schmerzlich, verliert sich jedoch nicht in einer unüberwindbaren Katastrophe, sondern liefert den Anstoß für einen Neuanfang. “Das kleine Cottage am Meer“ möchte man einfach nicht mehr aus der Hand legen, weil es Dramatik, Hoffnung, Liebe und eine große Portion Glück an einem malerischen Ort miteinander vereint.
Schon jetzt freue ich mich riesig auf den Roman “Schneeflockenträume“, der am 16. September 2019 erscheinen wird.

Daten
Verlag: blanvalet
Autor: Debbie Macomber
Übersetzung: Nina Bader
Titel: Das kleine Cottage am Meer
Originaltitel: Cottage by the Sea
Seiten: 416
Preis: 9,99€
Taschenbuch
ISBN: 978-3-7341-0726-9