Wer in einem trostlosen Leben gefangen ist, wünscht sich nichts sehnlicher, als diesem zu entfliehen. So ergeht es auch der 16jährigen Nearly Boswell, der Protagonistin in Elle Cosemanos Debütroman “Nearly Dead. Am Ende stirbst du“ (Carlsen). Die Schülerin lebt mit ihrer Mutter Mona, die in einer billigen Spelunke als Tänzerin arbeitet, in einem Trailer-Park in einem amerikanischen Vorort. Von ihren Mitschülern wegen ihrer Secondhand-Klamotten und ihrem schmalen Körperbau, der sich auf das stetige Hungern zurückführen lässt, aufgezogen, findet Nearly die Erfüllung im Lernen. Mit ihrer Freundin Anh wetteifert sie um die besten Noten, um am Ende des Jahres das begehrte Stipendium zu erhalten und damit ihrem Leben den Rücken zu kehren. Mit Hilfe ihres besten Freundes Jeremy, einem Jungen aus finanziell gut gestelltem Haus, kann Nearly Engpässe überwinden. Nur er weiß, dass sie täglich die Kontaktanzeigen in der Zeitung liest, mit der Hoffnung, einen Hinweis ihres Vaters zu finden, der sie und ihre Mutter einst verlassen hat. Eines Tages scheint sich ihr Wunsch zu erfüllen und Nearly entdeckt tatsächlich eine Anzeige, die für sie persönlich bestimmt zu sein scheint. Das enthaltene Rätsel ist nur schwer zu lösen, doch Nearly ist sich sicher, dass sie dazu in der Lage ist. Als sie vor ihrer Tür einen Karton mit einer toten Katze findet, hält sie dies für einen dummen Scherz. Doch dann kommt es zu einem sonderbaren Unfall, bei dem Nearlys Mitschülerin zu Tode kommt, der sie noch kurz zuvor Nachhilfeunterricht gegeben hat. Als sie die Leiche entdeckt, springt ihr eine Nummer auf dem toten Körper ins Gesicht. Nearly erkennt, dass dies ein Zeichen ist und wendet sich an die Polizei. Doch niemand glaubt ihr. Erst als der Mörder erneut zuschlägt, gerät Nearly als Verdächtige in den Fokus der Ermittlungen. Immer wieder entdeckt das Mädchen mysteriöse Hinweise in den Anzeigen und muss sich eingestehen, dass sie der Schlüssel zu den Gewaltverbrechen ist. Als die Mordserie weitergeht und weitere von ihren Nachhilfeschülern zu Tode kommen, macht Nearly die Bekanntschaft mit dem neuen Mitschüler Reece, der nach einer sechsmonatigen Haftstrafe die Schule gewechselt hat. Als ihr Lehrer sie dazu drängt, auch ihn zu unterrichten, wittert Nearly nichts Gutes. Doch Reece entpuppt sich als ihr Retter in der Not, der sie nicht nur vor dem Mörder bewahren, sondern ihr auch helfen kann, Licht in das Verschwinden ihres Vaters zu bringen und das Geheimnis um die Mordserie zu lösen.
Mit “Nearly Dead. Am Ende stirbst du“ hat Elle Cosimano einen spannenden Thriller geschaffen, der den Leser in eine alltägliche Welt entführt. Schnell entsteht Sympathie für die intelligente Schülerin, deren Leben alles andere als glücklich ist. Mit Mut und Kampfgeist muss sich Nearly jeden Tag ihren Mitschülern stellen, die sie teils verachten und schlichtweg ignorieren, weil ihr Leben nicht den gängigen Standards entspricht. Bereits nach den ersten Seiten stößt sie auf die Anzeige, die ihr Leben fortan komplett verändert. Als Leser rätselt man mit ihr zusammen, wie die Morde zusammenhängen und wer dahinter stecken könnte. Die Indizien mehren sich und man zählt eins und eins zusammen. Doch wer wirklich der Mörder ist, klärt sich erst auf den letzten Seiten des Buches, sodass die Spannung gehalten wird. Ganz ohne Längen oder schwulstige Liebesschwüre erzählt die Autorin eine glaubhafte Geschichte, der man einfach folgen muss. Hoffentlich lässt Elle Cosimano einen nicht allzu lange warten, bis sie eine weitere spannende Geschichte zu Papier bringt.
Daten
Verlag: Carlsen
Autor: Elle Cosimano
Titel: Nearly Dead. Am Ende stirbst du
Seiten: 432
Preis: 9,99€
Alter: ab 14 Jahren
Taschenbuch
ISBN: 978-3-551-31723-0