Nica Stevens: „Die Hüter der fünf Leben“
Nachdem die Romane von Stephenie Meyer und Lauren Kate den Lesern unbekannte Welter mystischer Natur präsentieren, die ungeachtet von den Menschen existierten, macht uns nun die deutsche Autorin Nica Stevens mit ihrem Roman „Die Hüter der fünf Leben“ mit einer neuen Spezies bekannt: Seit dem Unfalltod ihrer Mutter lebt Vivien bei ihrem Großvater. Unter der Aufsicht des strengen Anwalts fehlt es dem Mädchen an nichts. Jedes Jahr freut sie sich darauf, die Ferien bei ihrem Vater im Jasper Nationalpark zu verbringen, bevor sie wieder den Wünschen und Regeln ihres Großvaters Folge leisten muss. Wie in den Jahren zuvor, wird Vivien von Taylor, dem privaten Piloten der Familie, in die Wildnis geflogen. Wie erhofft, wartet dort ihr Vater bereits sehnsüchtig auf sie. Und auch Dave, der beste Freund ihres Vaters und dessen Frau Katie, können ihre Ankunft kaum erwarten. Nur ihr Sohn Liam, den sie vor achtzehn ausgesetzt im Wald gefunden und wie ihr eigenes Kind aufgezogen haben, begegnet Vivien mit Desinteresse. Der geplante Ausflug in den Wald, bei dem Vivien ihren Vater und Dave bei der Entnahme von Boden- und Wasserproben helfen soll, droht ins Wasser zu fallen. Trotz der Sorge um ihren erkrankten Vater entschließt sich Vivien, Dave und Liam zu begleiten. Schon kurz nach ihrem Aufbruch kommt es zu einem seltsamen Zwischenfall, als Liam von einer Vision heimgesucht wird. Vivien kann ihren Augen nicht trauen. Sie drängt Liam zu Antworten, bis dieser dazu bereit ist, sein streng gehütetes Geheimnis mit ihr zu teilen. Seit seiner Geburt zeichnet eine sonderbare Narbe seine Brust, die ihm im Laufe seines Lebens zu immer neuen Fähigkeiten verholfen hat. Noch ehe Vivien der Geschichte glauben schenken kann, kommt es zu einem Unfall. Als sie im Krankenhaus zu sich kommt, ist nichts mehr, wie es einmal war. Plötzlich ist sie selbst gezeichnet, verfügt über mysteriöse Wahrnehmungen und wird, genau wie Liam, zu einer Gejagten. Hat ihr Großvater sie ihr Leben lang betrogen und ist er vielleicht selbst ihr größter Feind? Bange Zeiten der Ungewissheit beginnen, in der Vivien nur ihrer Liebe zu Liam vertrauen kann.
Stevens skizziert eine fremde Welt, die mit der unseren verflochten ist. Trotz des mystischen Hintergrunds ist die Geschichte der Hüter des Lebens glaubhaft beschrieben. Dies gelingt vor allem durch die ausführlichen Beschreibungen der Settings, die für die Handlung eine wichtige Rolle spielen. Nach einem sehr starken und spannenden Beginn, der die Charaktere interessant vorstellt, endet die Geschichte viel zu schnell und für mich persönlich unbefriedigend. Von einen auf den anderen Moment haben sich alle Probleme der Protagonisten in Wohlgefallen aufgelöst. Dies ist wirklich verdammt schade, da die Autorin dadurch wertvolles Potenzial der Geschichte verschenkt, deren Einfallreichtum und Hintergrundwissen durchaus für einen Folgeroman gedient hätte.
Vivien und Liam sind jeweils starke Persönlichkeiten, die sowohl über einen traumatisierenden sowie tragischen Hintergrund verfügen. Beide wachsen nicht in der Obhut ihrer Eltern auf, haben jedoch eine Ersatzfamilie gefunden, die sich um sie sorgt. Erst im Laufe der Geschichte offenbart sich für beide eine Wahrheit, die sie nicht erwartet haben. Die Denkweise von Liam und Vivien ist stets nachvollziehbar, sodass sie ihre Handlungen und Taten ohne viele Worte erklären. Die mystische Handlung ist fest mit der Realität verwachsen, sodass der Einstieg in die Geschichte sehr einfach ist. Gemeinsam mit den Hauptfiguren erlebt man ein Abenteuer in der Wildnis Kanadas, die als Handlungsort und zugleich als gefährliche Prüfung verstanden werden kann. Die kurzen Kapitel liefern die Möglichkeit, der Geschichte zu folgen, auch wenn man sie aus zeitlichen Gründen unterbrechen muss. Aufgrund des Spannungsbogens fällt es einem jedoch schwer, die Geschichte wirklich aus der Hand zu legen. Daher ist es schade, dass der Roman nur 288 Seiten umfasst. Gerne hätte man mehr über die Hüter der Leben und ihre im Untergrund entstandene Kolonie erfahren, die Mystik und Legenden zum Leben zu erwecken scheinen. Die Vorstellung eines fast unendlichen Lebens ist fantasievoll und spannend ausgedehnt und regt daher das Interesse auf die weiteren Romane der Autorin an.
Daten:
Verlag: Carlsen
Autorin: Nica Stevens
Titel: Hüter der fünf Leben
Seiten: 288
Alter: ab 14 Jahren
Preis: 11,99€
Softcover
ISBN:978-3-551-31604-2
© Sandy Kolbuch, Bild: Carlsen Verlag