Eva Siegmund: Pandora – Wovon träumst du?
Die Frage nach dem eigenen Ursprung ist allgegenwärtig. Wenn man beschützt in einer Familie aufwächst, stellt sich die Frage jedoch seltener. Auch die Hauptfiguren in dem futuristisch angehauchten Jugendroman „Pandora – Wovon träumst du?“ der deutschen Autorin Eva Siegmund haben keinen Grund, ihre Existenz in Frage zu stellen: Sophie lebt nach dem Tod ihrer Mutter zusammen mit ihrem Vater ein bescheidenes Leben. Lange Zeit hat sie gespart, um sich genau wie ihre Freundinnen, einen Chip in die Netzhaut implantieren zu lassen. Mit dieser modernen Technologie ist die Menschheit ausgestattet, um im Internet zu recherchieren oder miteinander in Kontakt zu treten. Jeder Träger wird über Nacht mit persönlich zugeschnittener Werbung versorgt, die vom Hersteller in die Träume eingeschleust werden. Nie im Leben wäre Sophie auf die Idee gekommen, dass die bekannte Firma NeuroLink Solutions Inc., die Chips illegal als Überwachungssystem nutzt. Sophies friedliches Leben wird auf den Kopf gestellt, als sie einen Brief von einem Notar erhält, der dringend um ihr Kommen bittet. Mit einem komischen Gefühl im Bauch nimmt Sophie den Termin wahr. Völlig unerwartet stolpert sie in der Kanzlei auf ein Mädchen, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten gleicht. Auch Elizabeth, genannt Liz, ein verwöhntes Mädchen aus reichem Hause, kann ihren Augen nicht trauen. Von dem Notar der Kanzlei erfahren die geschockten Mädchen, dass sie Zwillinge sind. Beide können kaum glauben, dass sie die Töchter von Helen Zweig sind, die von ihrem Ehemann Stefan ermordet wurde. Da Stefan in Haft an einer schweren Krankheit verstorben ist, ist der Notar für die Übergabe seiner hinterlassenen Wertsachen und seines Erbes zuständig. Um die neue Situation meistern zu können, suchen die Schwestern den Kontakt zueinander. Zusammen recherchieren sie im Internet und versuchen so, ihrer Herkunft auf den Grund zu sehen. Als Sophie daraufhin von Albträumen heimgesucht wird, bei denen sie Zeuge des Mordes wird, ahnen beide, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. In dem jungen Computergenie Sash finden die Mädchen hilfreiche Unterstützung. Gemeinsam entlarven sie dabei die dunklen Machenschaften des Sandmannes. Als sie ihm zu nahe kommen und sein gut gehütetes Geheimnis zu entschlüsseln drohen, gerät ihr Leben in Gefahr.
Eva Siegmund hat einen spannenden Thriller geschaffen, der die Welt mit futuristischen Elementen belebt. Dem Leser werden alle wichtigen Informationen über den modernen Fortschritt erläutert, woraufhin sich eine denkbare Realität erschließen lässt. Die sympathischen Zwillinge Sophie und Liz, aus deren Sicht die Geschichte abwechselnd geschildert wird, nehmen die Leser an die Hand und lassen sie an ihren Ängsten und Träumen teilhaben. Auch der Sandmann gewährt einen Blick in seine eigene Wahrnehmung, wodurch es schwerfällt, ihn als Bösewicht wahrzunehmen. Die Geschichte vereint aber nicht nur düstere Momente, sondern weiß auch mit Humor und Witz unbesorgte Situationen zu beschreiben. Die pubertären Probleme der Hauptfiguren sind galant mit der Handlung verflochten, wodurch sich junge Mädchen angesprochen fühlen. Auch die Gegensätzlichkeit der Schwestern ist amüsant in Szene gesetzt. Die anfänglichen Unterschiede in ihrem Charakter verlieren sich im Laufe der Handlung, während sich die Gemeinsamkeiten immer deutlicher abzeichnen. Der Freundeskreis der Schwestern findet immer wieder am Rande Erwähnung, ebenso wie die Ersatzeltern. Leider verliert sich das Umfeld zusehends und macht den Machenschaften des Sandmannes Platz. Das Sozialleben der Zwillinge verkommt dadurch leider zur Nebensächlichkeit, was aufgrund der sympathischen Charaktere im Hintergrund schade ist. Die Thematik der Überwachung der Bevölkerung nimmt erschreckende Züge an, da Siegmund durch ihre plausiblen Erklärungen auf die Zukunft anspielt. Nur allzu deutlich wird dem Leser die Kehrseite der mediengesteuerten Zeit vor Augen geführt, was man bisher nur aus Filmen und TV-Serien kannte.
Das Buchcover ist sehr gelungen, erweckt jedoch einen völlig falschen Eindruck. Schaut man sich das Cover an, vermutet man eine Geschichte über den Adel, aber keinesfalls eine moderne Story mit technologischen Gimmicks.
Die gewählte Jugendsprache ist gut im Schreibstil integriert. Die Äußerungen der Zwillinge wirken dadurch authentisch und frech, wodurch sie dem Leser ans Herz wachsen. Die kurzen Kapitel ermöglichen ein fließendes Lesen, wodurch selbst etwas langatmige Sequenzen fix überlesen werden können.
Daten:
Verlag: cbt
Autorin: Eva Siegmund
Titel: Pandora – Wovon träumst Du?
Seiten: 493
Alter: ab 13
Preis: 12,99€
Paperback, Klappenbroschur
ISBN:978-3-570-31059-5
Erschienen: 11. April 2016
http://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Pandora-Wovon-traeumst-du/Eva-Siegmund/cbt/e484636.rhd
Text Sandy Kolbuch, Bild cbt