Auf ein Neues!
Für eine große Bandbreite an großen, großartigen und besonderen asiatischen Filmen muss man manchmal eben doch etwas weiter schweifen. Nachdem ich letzte Woche in Berlin ein paar phantastische koreanische Independent Filme sehen konnte, bin ich jetzt wie gewohnt in Udine, der schicken kleinen Stadt mit seinen etwa 90.000 angenehmen Einwohnern.
Dem Zentrum ist die Wirtschaftskrise kaum anzumerken und zum Glück haben die Macher des Festivals wieder genug Geld zusammenbekommen, um nicht nur neue Filme aus ganz Fernasien zu holen, sondern oft auch noch Regisseure und Produzenten.
Für die Vorstellung seiner Culture-Clash-Road-Movie-Komödie „The Journey“ wurde z.B. Regisseur Keng-Guan Chiu aus Malaysia eingeflogen.
Auf den ersten Blick geht es um eine Reise eines Paares durch Malaysia. Schnell wird aber deutlich, das der Brite, der den Segen vom Vater seiner Braut, einer chinesischstämmigen Malayin, einholen will, und auch eben jener Vater auf einander zugehen müssen und das es eigentlich um das Näherkommen zweier extrem unterschiedlicher Kulturen geht. Vater und Schwiegersohn müssen gemeinsam nach alter chinesischer Tradition die Hochzeitseinladungen persönlich an die Gäste überbringen. Genug Zeit, sich nahezu ohne gemeinsame Sprache besser kennenzulernen…
Der Film kommt am Anfang recht klamaukig rüber und der Engländer ist ein stereotyper Tollpatsch. Im Gespräch nach dem Film erklärte mir Regisseur Chiu, dass auch der konservative, traditionelle Vater für malayische Augen stereotyp wirkt und es ihm darum ging, den Zuschauer von seinen eigenen Vorurteilen wegzuholen. Die eher einfache Art des Humors (am Anfang) trifft den Geschmack Malaysias, sagte er.
Glücklicherweise wandelt sich im Laufe des Films auch der Humor und es gibt einige sehr schöne Szenen mit tiefsinniger Komik.
Update vom 1.Mai 2014
Und wieder ist eine südkoreanische Komödie ein Hammer, zusammen mit einem Anwaltsdrama, das in der Militärdiktaturzeit spielt.
Zuerst die Komödie: „Ms Granny“ ist im weitesten Sinne eine abgewandelte Form von „200 Pounds Beauty“ und soweit erstmal nichts überragendes. Allerdings spielt die Hauptdarstellerin so unglaublich überzeugend die über 70 jährige Oma, die durch ein mysteriöses Fotostudio in ihren 20 jährigen Körper zurückversetzt wird, dass es eine wahre Freude ist. Auch bei diesem Film ist wieder deutlich zu merken, wie sehr Koreaner Musik mögen – die Protagonistin gerät an ihren Traummann, weil sie als Sängerin entdeckt wird, doch irgendwann muss sie sich entscheiden zwischen dem neuen Leben und dem, was wirklich wichtig ist…
Der Film ist eine sehr unterhaltsame. leicht romantische Komödie, die gut tut, mit sitzenden Gags und flottem Timing.
Der zweite Film „The Attourney“ ist auf ganz andere Art bemerkenswert – Es ist ein politischer Film über einen Anwalt, der in den frühen Achtziger Jahren erfolgreich und angepasst ist, bis er die Ungerechtigkeit des herrschenden Systems direkt zu spüren bekommt. Doch er glaubt fest an die geschriebene Verfassung und denkt, das System besiegen zu können.
Abgesehen davon, dass der phantastische Song Kang-ho (Thirst, Snowpiercer, The Host) die Hauptrolle spielt, ist es auch ein Meisterwerk der Regie und Bildführung. Dazu eine Story, die uns Angesicht von NSA-Abhörskandalen und der immer weiter gehenden Beschneidung unserer Grundrechte, wichtiger ist, denn je – wie schaffen es Koreaner, mit ihren Filmen die Massen zu bewegen und trotzdem politische Statements zu setzen, ganz nebenbei setzen sie sich gekonnt mit ihrer näheren Vergangenheit auseinander. Bravo! Wenn dieser Film es jemals nach Deutschland auf DVD/Blu-Ray schafft, ist es eine unbedingte Kaufempfehlung. „The Attourney“ hat den zweiten Platz beim Publikumsaward des Festivals gewonnen.
Update 3. Mai 2014
Wieder ein paar Filme, die berichtenswert sind: Ich lasse mir gern vorwerfen, dass ich koreanische Filme bevorzuge, aber hier werden einfach die besten gezeigt. Dazu gesellen sich aber auch sehr gute andere Filme aus Japan und den Philippinen:
Zwei sehr spannende koreanische Thriller bleiben trotz kleiner Schwächen bzw. Storylücken im Gedächtnis, weil sie mit hoher Schlagzahl und Dichte erzählt sind.
Aus der Sicht des zum Radiomoderatoren degradierten TV-News-Showmaster Young-Hwa Yoon wird in „The Terror live“ seine große Chance auf ein Comeback erzählt, als er einen mysteriösen Anruf erhält, dass der Anrufer eine Bombe hochgehen lässt, wenn der Präsident sich nicht für den Tod dreier Bauarbeiter entschuldigt. Auf Anrufe folgen Taten und plötzlich sieht sich der Moderator in einem Gewirr aus Quotentreiberei und Politik, dass seine Zukunft entscheidend beeinflusst.
Die Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse aufeinanderfolgen, erinnerten mich an die besten Momente der ersten Staffel von „24“. Hier ist dem Regisseur Byeing-woo Kim, der erst seinen dritten Film gemacht hat, ein großer Wurf gelungen. Wenn er allerdings in dem Tempo weitermacht, werden wir erst 2018 einen neuen Film zu sehen bekommen.
Ein weiterer spannender Thriller ist „Cold Eyes“ von den Regisseuren Ei-Seok Jo und Byung-So Kim, um eine Spezialüberwachungseinheit der Polizei, die an einen gefährlichen und extrem cleveren Verbrecher geraten, der mit seinem Team nicht nur eine Bank ausraubt sondern sogar die Börse bestehlen will.
DIe junge Hauptdarstellerin Hyo-Joo Han muss sich als Neuankömmling Yoon-Ju in der Truppe von Spezialisten beweisen und dabei einige schwierige Aufgaben allein mit ihrem Geist bzw. ihrem Gedächtnis lösen. Das ist sehr spannend anzusehen, obwohl nicht so ein Effektfeuerwerk betrieben wird, wie bei anderen Thrillern. Trotzdem wirkt der Film erheblich größer als die 4 Millionen Dollar, die er tatsächlich gekostet hat.
Der beste Actionfilm dieses Jahr (den ich sehen konnte) ist allerdings nicht aus Korea sondern aus Hongkong.
„Firestorm“ lässt in Rasanz und Stuntmenverschleiß Tom Cruise mit seinen „Mission: Impossible“ Filmen und alle Jason Bourne Teile locker hinter sich und alte Jackie Chan Filme sind Gute Nacht Märchen gegen den neuen Actionreißer mit Andy Lau, der sichtbar eine Menge Stunts selbst gemacht hat.
Selten halte ich so lange den Atem an, wie hier und noch seltener gehe ich dann mit offenem Mund aus dem Kino. Dabei ist die Story erstmal gar nicht so neu – Gangster überfallen auf ziemlich kreative Weise einen Geldtransporter und schießen danach alles kurz und klein, was sich ihnen in den Weg stellt, egal wie unschuldig die Opfer auch sein mögen. Das ruft Hongkongs Polizei auf den Plan, die erst mit den konventionellen Mitteln versuchen, der Bande habhaft zu werden, aber irgendwann notgedrungen zu anderen Maßnahmen greifen.
Das Andy Lau hier weniger Charakterrolle denn Actionbringer ist, verzeiht jeder, denn wenn er dann in der zweiten Hälfte erst einmal loslegt, zeigt er wieder, dass er es in ganzer „Infernal Affairs“ Tradition drauf hat.