Als Jugendlicher scheint einem die Welt offen zu stehen. Heimischen Grenzen und der Fürsorge der Eltern wollen viele schnellstmöglich entkommen. Wenn es dann erst einmal soweit ist, fühlt sich der Neuanfang nicht immer so an, wie man es sich erhofft hat.
So ergeht es Hannah, der Hauptfigur in Jana Lukas Roman „Die Mühlenschwestern – Die Liebe kennt den Weg zurück“ (Heyne). Mit 18 Jahren konnte sie es kaum erwarten, ihre Heimat Sternmoos zu verlassen, um als Praktikantin ihrem Traumjob als Fotografin näher zu kommen. Schweren Herzens verließ sie damals ihren Freund Jakob, der sich im Gegensatz zu ihr ein Leben außerhalb von Berchtesgaden nicht vorstellen konnte. Zehn Jahre später lebt Hannah ihren großen Traum und hat schon fast die gesamte Welt besucht. Bei einem Auftrag, der sie in einen abgelegenen Teil des brasilianischen Regenwaldes geführt hat, kommt es zu einem traumatischen Zwischenfall. Hannah und ihr Kollege Finn werden von einer Schlammlawine erfasst, der ihren Wagen von der Straße abdrängt. Während Hannah verletzt aus den Fluten gerettet werden kann, kommt ihr Kollege um Leben. Schwer traumatisiert und sich die Schuld an dem Unglück gebend, verlässt Hannah auf eigene Gefahr das Krankenhaus und kehrt nach Deutschland heim. Besorgt wird sie von ihrer Familie in Frankfurt vom Flughafen abgeholt und nach Sternmoss gebracht, wo sie die nächsten Tage in ihrem alten Zimmer verbringt. Obwohl ihre Schwestern Rosa und Antonia und ihre Eltern Rena und Josef sich liebevoll um sie kümmern, kann und will Hannah nicht über das Erlebte sprechen. Sie verkriecht sich vor dem Leben, während ihre Verletzungen langsam heilen. Als ihre Mutter sie zu einem Gespräch mit einer Naturheilerin und der anschließenden Mithilfe in der Familiengärtnerei drängt, fühlt sich Hannah von der Fürsorge erdrückt. Kurzerhand zieht sie zu ihrer Tante Louise in die alte Mühle, wo sie sich schon als Kind geborgen fühlte. Ihre Seele scheint die Ruhe zu genießen, bis Hannah unerwartet vor ihrer alten Liebe Jakob steht. Die Erinnerungen kommen hoch und scheinen sie erneut ins Bodenlose zu ziehen. Doch dann bricht ihre Tante bei dem Anblick eines Mannes zusammen, der bei Jakob seinen Oldtimer restaurieren lässt. Die drei Schwestern beschließen, dass sie alles über diesen mysteriösen Mann in Erfahrungen bringen müssen. Hannah muss über ihren Schatten springen und Jakob um Hilfe bitten. Schnell sind die alten Gefühle wieder da und im Laufe von Hannahs Aufenthalt kommen sich beide wieder näher. Sie genießen ihren Neuanfang, doch Hannahs Auszeit neigt sich dem Ende und sie muss eine Entscheidung treffen, die ihr weiteres Leben bestimmen soll.
Eingebettet in eine malerische Berglandschaft, die dem Leser das Gefühl eines Kurzurlaubs beschert, offenbart sich eine Familien- und Liebesgeschichte. Fans von Heimatfilmen werden den ersten Teil der geplanten Romantrilogie lieben. Im Fokus steht nicht nur Hannah, sondern auch deren zwei Schwestern, die ebenfalls im Tal aufgewachsen, dieses jedoch nie verlassen haben. Der gesamte Roman vermittelt ein Gefühl von Heimat. Nicht nur die Gärtnerei der Mutter, sondern auch die Dorfpraxis des Vaters oder der kleine Laden in der alten Mühle, den Hannahs Tante gemeinsam mit ihrer Nichte betreibt. Von der Familie geliebt lernt Hannah in ihrer größten Not den Ort wieder schätzen, dem sie Jahre zuvor unbedingt entfliehen wollte. Der vertraute Rückzugsort am See oder der Dachboden der alten Mühle erinnern Hannah an glückliche Momente ihrer Kindheit, bevor das Fernweh sie packte und in die Welt entführte. Zunächst mit dem Gedanken, die Heimat schnellstmöglich wieder zu verlassen, sobald die Wunden geheilt sind, findet die junge Frau doch unverhofft ihren Frieden in den Bergen. Die Ruhe und die Abgeschiedenheit heilen ihre körperlichen und seelischen Wunden. Der Leser, der ihre Gefühlswelt aus nächster Nähe miterleben darf, wird Zeuge, wie Hannah einen Neuanfang wagt, mit dem sie selbst nie gerechnet hätte. Die aufflammende Liebe zu Jakob, der seine Träume im Tal verwirklichen konnte, sorgt für romantische Momente, die ganz ohne Kitsch auskommen. Die vielen Figuren im Umfeld sind ebenso sympathisch wie die im Fokus und versprechen schon jetzt weitere spannende Geschichten in den kommenden zwei Bänden. Louisas Geschichte wird immer wieder am Rande angedeutet, jedoch nicht bis ins Detail beschrieben, sodass man auch dort gespannt sein darf, wie es mit ihr und dem mysteriösen fremden Mann in Band 2 „Die Mühlenschwestern – Die Hoffnung wird dich finden“ weitergehen wird.
Daten
Verlag: Heyne
Autorin: Jana Lukas
Titel: Die Mühlenschwestern (1) – Die Liebe kennt den Weg zurück
Genre: Belletristik
Seiten: 480
Preis: 10,99€
Taschenbuch
ISBN: 978-3453424258